All-Crime-Ansatz

All-Crime-Ansatz

Der „All-Crime-Ansatz“ im Bereich der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung stellt eine bedeutende Erweiterung des rechtlichen Rahmens dar, sowohl auf europäischer Ebene durch die EU-Richtlinie 2018/1673 als auch innerhalb des deutschen Rechtssystems durch die Neufassung des § 261 StGB. Dieser Ansatz repräsentiert einen Paradigmenwechsel in der Bekämpfung von Geldwäscheaktivitäten, indem er von einem selektiven Katalog von Vortaten abrückt und stattdessen alle Straftaten des Kern- und Nebenstrafrechts als potenzielle Vortaten für Geldwäsche einbezieht.

Ursprünglicher Ansatz und dessen Grenzen

Vor der Implementierung des All-Crime-Ansatzes beschränkte der § 261 StGB a.F. (alte Fassung vor dem 18. März 2021) die geldwäscherelevanten Vortaten auf einen spezifischen Katalog. Dieser umfasste hauptsächlich Verbrechen und bestimmte Vergehen, wie sie im Betäubungsmittelgesetz, Steuerrecht und in verschiedenen Eigentums- und Vermögensdelikten definiert waren. Die Beschränkung auf diesen Katalog führte zu einer gewissen Vorhersehbarkeit und Klarheit bei der Anwendung des Geldwäschegesetzes, setzte aber auch Grenzen bei der Ermittlung und Verfolgung von Geldwäscheaktivitäten, da zahlreiche andere potenziell relevante Straftaten außer Acht gelassen wurden.

Vortaten-Katalog

  1. § 108e StGB: Abgeordnetenbestechung.
  2. § 332 StGB Abs. 1: Bestechlichkeit.
  3. § 332 StGB Abs. 3: Bestechung von Amtsträgern.
  4. § 334 StGB: Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.
  5. § 335a StGB: Strafschärfung und Strafmilderung bei Bestechungsdelikten.
  6. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln.
  7. § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit Ausgangsstoffen für Betäubungsmittel.
  8. § 373 der Abgabenordnung: Gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel.
  9. § 374 Abs. 2 der Abgabenordnung: Steuerhehlerei.
  10. § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen: Regelungen zur Durchführung von EU-Marktorganisationen und Direktzahlungen.
  11. § 152a StGB: Verrat in Wirtschaftsunternehmen.
  12. § 181a StGB: Zuhälterei.
  13. § 232 StGB Absatz 1 bis 3 Satz 1: Menschenhandel.
  14. § 232 StGB Absatz 4: Menschenhandel.
  15. § 232a StGB Absatz 1 und 2: Zwangsprostitution.
  16. § 232b StGB Absatz 1 und 2: Zwangsheirat.
  17. § 233 StGB Absatz 1 bis 3: Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung.
  18. § 233a StGB Absatz 1 und 2: Ausbeutung von Arbeitskraft.
  19. § 242 StGB: Diebstahl.
  20. § 246 StGB: Unterschlagung.
  21. § 253 StGB: Erpressung.
  22. § 259 StGB: Hehlerei.
  23. § 263 StGB: Betrug.
  24. § 264 StGB: Subventionsbetrug.
  25. § 265c StGB: Kreditbetrug.
  26. § 266 StGB: Untreue
  27. § 267 StGB: Urkundenfälschung.
  28. § 269 StGB: Fälschung technischer Aufzeichnungen.
  29. § 271 StGB: Mittelbare Falschbeurkundung.
  30. § 284 StGB: Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels.
  31. § 299 StGB: Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr.
  32. § 326 Abs. 1 StGB: Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen.
  33. § 326 Abs. 2 StGB: Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen.
  34. § 326 Abs. 4 StGB: Unerlaubter Umgang mit gefährlichen Abfällen.
  35. § 328 Abs. 1 StGB: Unerlaubter Umgang mit Kernbrennstoffen und anderen radioaktiven Stoffen.
  36. § 328 Abs. 2 StGB: Unerlaubter Umgang mit Kernbrennstoffen und anderen radioaktiven Stoffen.
  37. § 328 Abs. 4 StGB: Unerlaubter Umgang mit Kernbrennstoffen und anderen radioaktiven Stoffen.
  38. § 348 StGB: Gefährdung von Gefangenen und von Personen, die gegen ihren Willen festgehalten werden.
  39. § 96 des Aufenthaltsgesetzes: Verbotene Einreise und Aufenthalt.
  40. § 84 des Asylgesetzes: Verleitung zu missbräuchlichem Asylantrag.
  41. § 370 der Abgabenordnung: Steuerhinterziehung.
  42. § 119 Abs. 1 bis 4 des Wertpapierhandelsgesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit dem Wertpapierhandel.
  43. § 143 des Markengesetzes: Markenverletzung.
  44. § 143a des Markengesetzes: Verletzung geschäftlicher Bezeichnungen.
  45. § 144 des Markengesetzes: Kennzeichenverletzung.
  46. § 106 des Urheberrechtsgesetzes: Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke.
  47. § 107 des Urheberrechtsgesetzes: Unzulässiges Anbringen der Urheberbezeichnung.
  48. § 108 des Urheberrechtsgesetzes: Unzulässige Verwertung geschützter Leistungen.
  49. § 108a des Urheberrechtsgesetzes: Gewerbsmäßige unerlaubte Verwertung.
  50. § 108b des Urheberrechtsgesetzes: Vorführung eines unrechtmäßig hergestellten Filmwerkes.
  51. § 25 des Gebrauchsmustergesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit Gebrauchsmustern.
  52. § 51 des Designgesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit eingetragenen Designs.
  53. § 65 des Designgesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern.
  54. § 142 des Patentgesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit Patenten.
  55. § 10 des Halbleiterschutzgesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit dem Schutz von Halbleitertopographien.
  56. § 39 des Sortenschutzgesetzes: Straftaten im Zusammenhang mit dem Sortenschutz.

EU-Richtlinie 2018/1673 und deren Implikationen

Die EU-Richtlinie 2018/1673, verabschiedet am 23. Oktober 2018, zielte auf eine Harmonisierung der strafrechtlichen Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung in der EU ab. Sie empfahl einen breiteren Ansatz bei der Definition von Vortaten für Geldwäsche, indem sie vorschlug, dass alle Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten bedroht sind, als Vortaten gelten könnten. Dies erweiterte den Umfang der Vortaten deutlich über den traditionellen Rahmen hinaus.

Kriminelle Tätigkeit

„Kriminelle Tätigkeit“ jede Form der kriminellen Beteiligung an Straftaten, die gemäß dem nationalen Recht mit einer Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsentzug im Höchstmaß von mehr als einem Jahr oder — in Mitgliedstaaten, deren Rechtssystem ein Mindeststrafmaß für Straftaten vorsieht — mit einer Freiheitsstrafe oder einer die Freiheit beschränkenden Maßnahme im Mindestmaß von mehr als sechs Monaten geahndet werden können.

In jedem Fall gelten Straftaten der nachfolgend genannten Kategorien als kriminelle Tätigkeit:

a) Beteiligung an einer organisierten kriminellen Vereinigung und Erpressung, einschließlich der im Rahmenbeschluss 2008/841/JI des Rates genannten Straftaten;
b) Terrorismus, einschließlich der in der Richtlinie (EU) 2017/541 des Europäischen Parlaments und des Rates genannten Straftaten;
c) Menschenhandel und Schleusung von Migranten, einschließlich der in der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates und im Rahmenbeschluss 2002/946/JI des Rates genannten Straftaten;
d) sexuelle Ausbeutung, einschließlich der in der Richtlinie 2011/93/EU des Europäischen Parlaments und des Rates genannten Straftaten;
e) illegaler Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen, einschließlich der im Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates genannten Straftaten;
f) illegaler Waffenhandel;
g) illegaler Handel mit gestohlenen und sonstigen Waren;
h) Korruption, einschließlich der im Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung, an der Beamte der Europäischen Gemeinschaften oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sind, und im Rahmenbeschluss 2003/568/JI des Rates genannten Straftaten;
i) Betrug, einschließlich der im Rahmenbeschluss 2001/413/JI des Rates genannten Straftaten;
j) Geldfälschung, einschließlich der in der Richtlinie 2014/62/EU des Europäischen Parlaments und des Rates genannten Straftaten;
k) Produktfälschung und Produktpiraterie;
l) Umweltkriminalität, einschließlich der in der Richtlinie 2008/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates oder in der Richtlinie 2009/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates genannten Straftaten;
m) vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung;
n) Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme;
o) Raub oder Diebstahl;
p) Schmuggel;
q) Steuerstraftaten im Zusammenhang mit direkten und indirekten Steuern gemäß dem nationalen Recht;
r) Erpressung;
s) Fälschung;
t) Piraterie;
u) Insider-Geschäfte und Marktmanipulation, einschließlich der in der Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments und des Rates genannten Straftaten;
v) Cyberkriminalität, einschließlich der in der Richtlinie 2013/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates genannten Straftaten;

Gesetzentwurf zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche

Der deutsche Gesetzentwurf zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche griff den von der EU-Richtlinie vorgeschlagenen Ansatz auf und ging sogar noch darüber hinaus, indem er alle Straftaten des Kern- und Nebenstrafrechts einbezog. Dieser Vorschlag zielte darauf ab, die Möglichkeiten der Geldwäschebekämpfung in einem zunehmend integrierten Europa zu stärken und Straftätern die Nutzung der Vorteile wie Reise- und Kapitalverkehrsfreiheit zur Einschleusung illegaler Vermögenswerte in den Wirtschaftskreislauf zu erschweren.

§ 261 StGB n.F. (Neue Fassung seit dem 18. März 2021)

Die Neufassung des § 261 StGB, die am 18. März 2021 in Kraft trat, implementierte den All-Crime-Ansatz in das deutsche Recht. Diese Änderung bedeutete, dass nun jede Straftat als potenzielle Vortat für Geldwäsche angesehen werden konnte. Darüber hinaus wurde ein spezielles Privileg für Strafverteidiger eingeführt, wonach sie nur bei sicherer Kenntnis der kriminellen Herkunft des Honorars nach § 261 Abs. 1 StGB strafbar sind.

Auswirkungen des All-Crime-Ansatzes

Der All-Crime-Ansatz führt zu einer erheblichen Ausweitung des Spektrums möglicher Vortaten für Geldwäsche. Dies hat weitreichende Implikationen für die Strafverfolgung, da Ermittler nun eine breitere Basis für die Verfolgung von Geldwäscheaktivitäten haben. Gleichzeitig erhöht es das Risiko für Akteure in verschiedenen Berufsfeldern, insbesondere im Finanz- und Rechtssektor, da nun auch Transaktionen, die zuvor als nicht verdächtig eingestuft wurden, potenziell unter Geldwäscheverdacht fallen können.

Kritik und Herausforderungen

Trotz der Vorteile in der effektiven Bekämpfung von Geldwäsche gibt es auch Kritik am All-Crime-Ansatz. Einige Experten weisen auf das potenziell erhöhte Risiko der Überkriminalisierung und der Beeinträchtigung des rechtmäßigen Wirtschaftsverkehrs hin. Die Anforderung, alle Transaktionen auf mögliche Verbindungen zu jeglichen Straftaten zu prüfen, kann zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand führen und die Gefahr von Fehlinterpretationen und ungerechtfertigten Ermittlungen erhöhen.

Fazit

Der All-Crime-Ansatz stellt einen bedeutenden Schritt in der Bekämpfung von Geldwäsche dar und reflektiert das Bestreben, effektivere Mechanismen gegen die Einbindung von kriminell erworbenen Vermögenswerten in den legalen Finanzkreislauf zu schaffen. Gleichzeitig erfordert dieser Ansatz eine sorgfältige Abwägung, um das Risiko von Überregulierung und Beeinträchtigungen für den legalen Geschäftsverkehr zu minimieren.