Gruppenweite Umsetzung

Gruppenweite Umsetzung § 9 GwG

Die nunmehr für alle Verpflichteten, die Mutterunternehmen einer Gruppe sind, geltende Pflicht zur gruppenweiten Umsetzung (§ 9 Abs. 1 GwG) entspricht inhaltlich im Wesentlichen den bisherigen für die entsprechenden Verpflichteten nach § 2 Abs. 1 Nummer 1, 2 und 7 geltenden Pflichten (vgl. § 53 Abs. 5 VAG alt, § 25i KWG alt).

Mutterunternehmen/Gruppe

Pflichten in Bezug auf eine Gruppe gemäß § 9 Abs. 1 GwG treffen alle Verpflichteten gemäß § 2 Abs. 1 GwG, die Mutterunternehmen dieser Gruppe sind und ihren Hauptsitz im Inland haben. Mutterunternehmen kann nur sein, wer selbst kein untergeordnetes Unternehmen ist.

Anders als nach früherer Rechtslage stellt § 9 GwG für den Gruppenbegriff nicht mehr auf den (solvenz-rechtlichen) Gruppenbegriff in § 10a KWG ab.

Vielmehr liegt eine Gruppe immer bereits dann vor, wenn ein Zusammenschluss eines Mutterunternehmens (einschließlich seiner unselbständigen Zweigstellen und Zweigniederlassungen) mit folgenden Unternehmen vorliegt:

  • Tochterunternehmen
  • an denen das Mutterunternehmen eine Beteiligung in Höhe der Mehrheit der Stimmrechte hält
  • bei denen das Mutterunternehmen Gesellschafter mit beliebigem Anteil ist und das Recht zur Bestellung oder Abberufung der Organe beim Unternehmen besitzt,
  • bei denen das Mutterunternehmen wegen eines abgeschlossenen Beherrschungsvertrages, Gewinnabführungsvertrages oder aufgrund der Satzung einen beherrschenden Einfluss ausübt,
  • an denen das Mutterunternehmen bei einheitlicher Leitung (vgl. § 290 Abs. 1 HGB) eine Beteiligung nach § 271 Abs. 1 HGB hält,
  • bei denen durch das Mutterunternehmen allein durch die Ausübung seiner Stimmrechte die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans dieses Unternehmens, die während des Geschäftsjahres sowie des vorhergehenden Geschäftsjahres bis zur Erstellung des konsolidierten Abschlusses im Amt sind, bestellt worden ist, oder
  • hinsichtlich derer das Mutterunternehmen aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern dieses Unternehmens allein über die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter dieses Unternehmens verfügt.
  • Andere Unternehmen, an denen das Mutterunternehmen oder eines seiner Tochterunternehmen eine Beteiligung in Höhe der Mehrheit der Stimmrechte oder bei einheitlicher Leitung (vgl. § 290 Abs. 1 HGB) eine Beteiligung nach § 271 Abs. 1 HGB hält.

Gruppenpflichtige Unternehmen

Aus § 9 Abs. 1 Satz 3 GwG, der Artikel 45 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2015/849 umsetzt, ergibt sich, dass alle einem Mutterunternehmen nachgeordneten Zweigstellen, Zweigniederlassungen und Unternehmen im In- oder Ausland, die geldwäscherechtlichen Pflichten unterliegen, die für sie geltenden gruppenweiten Pflichten einzuhalten haben (gruppenpflichtige Unternehmen).

Gegenstand der Pflicht

Gruppenweite Risikoanalyse

Um die bestehenden Risiken auf Gruppenebene vollumfänglich berücksichtigen und adressieren zu können, bedarf es einer Risikoanalyse im Sinne von § 5 GwG (siehe im Einzelnen dazu oben unter Kapitel 2.3.), die die gruppenangehörigen Zweigstellen, Zweigniederlassungen und Unternehmen abdeckt. Unter Berücksichti-gung von Sinn und Zweck der Regelung kann sich die gruppenweite Risikoanalyse aber nur auf solche Nieder-lassungen und Unternehmen beziehen, die am Ort ihres Sitzes jeweils geldwäscherechtlichen Pflichten unterliegen.

Das Mutterunternehmen hat in diesem Rahmen eine gruppenweite Risikoanalyse zu erstellen und zu aktualisieren, die die Risikoanalysen der gruppenpflichtigen Zweigstellen, Zweigniederlassungen und Unternehmen im In- und Ausland einbezieht und darauf aufbaut. Das Mutterunternehmen hat in diesem Zusammenhang auch das Risiko zu bewerten, das eine von den Zweigstellen, Zweigniederlassungen und Unternehmen getätigte Geschäftsaktivität für die gesamte Gruppe darstellt bzw. darstellen kann.

Die jeweils aktuell zu erstellende Gruppenrisikoanalyse und die gruppenweit internen Sicherungsmaßnahmen müssen von der bei dem Mutterunternehmen benannten Mitglied der Leitungsebene im Sinne des § 4 Abs. 3 GwG genehmigt werden.

Gruppenweite Maßnahmen

Das Mutterunternehmen hat auf der Basis der gruppenweiten Risikoanalyse die erforderlichen Maßnahmen und Pflichten für alle gruppenpflichtigen Zweigstellen, Zweigniederlassungen und Unternehmen zu ergreifen, bei denen es aufgrund seiner Beteiligung oder aufgrund anderweitiger Vereinbarungen die rechtliche Möglichkeit hat, eine entsprechende wirksame Umsetzung dieser Pflichten und Maßnahmen sicherzustellen.

Gruppenweit einheitliche Sicherungsmaßnahmen

„Gruppenweit einheitlich“ bedeutet nicht, dass für alle gruppenpflichtigen Zweigstellen, Zweignieder-lassungen und Unternehmen unabhängig davon, zu welchem Verpflichtetenkreis (z.B. Kreditinstitut oder Versicherungsunternehmen) sie gehören, dieselben Sicherungsmaßnahmen im Sinne von § 6 Abs. 1 und 2 GwG gelten. Erforderlich ist, dass die für die jeweiligen Verpflichteten anzuwendenden Sicherungsmaßnahmen innerhalb der gesamten Gruppe und unabhängig vom Ort der Zweigstelle, Zweigniederlassung oder des Unternehmens in gleicher Weise Anwendung finden.

Vgl. zu den näheren Einzelheiten zu den einheitlichen internen Sicherungsmaßnahmen nach § 6 Abs. 1 und 2 GwG, die gruppenweit einheitlich anzuwenden sind, Ziffer 3 (interne Sicherungsmaßnahmen).

Bestellung eines Gruppengeldwäschebeauftragten

Beim Mutterunternehmen ist ein Gruppengeldwäschebeauftragter sowie ein Stellvertreter zu bestellen, der für die Erstellung einer gruppenweit einheitlichen Strategie zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie für die Koordinierung und Überwachung ihrer Umsetzung zuständig ist. § 7 Abs. 4 GwG gilt entsprechend.

Der Gruppengeldwäschebeauftragte hat dazu unternehmensübergreifend verbindliche Verfahren zur Umsetzung der geldwäscherechtlichen Pflichten in den gruppenpflichtigen Zweigstellen, Zweignieder-lassungen und Unternehmen im In- und Ausland zu schaffen. Er ist befugt, zu deren Durchsetzung Weisungen zu erteilen.

Die für eine gruppenweite Durchführung der Aufgaben des Gruppengeldwäschebeauftragten notwendigen Mittel und Verfahren sind vom Mutterunternehmen vorzuhalten und wirksam einzusetzen.

Der Gruppengeldwäschebeauftragte hat sich im Rahmen seiner Aufgaben in den gruppenangehörigen Zweigstellen, Zweigniederlassungen sowie Unternehmen im In- und Ausland über deren Einhaltung der geld-wäscherechtlichen Pflichten laufend zu informieren. Ferner hat er sich in regelmäßigen Abständen – auch durch Besuche vor Ort – insbesondere davon zu überzeugen, dass die Pflichten gemäß § 9 GwG eingehalten bzw. die nach dieser Vorschrift notwendigen Maßnahmen getroffen und wirksam umgesetzt werden. Falls erforderlich, hat er auch unternehmensübergreifende Maßnahmen zu ergreifen.

Das Mutterunternehmen hat sicherzustellen, dass der Gruppengeldwäschebeauftragte bzw. die von ihm beauftragten Mitarbeiter die Befugnis erhalten, sich in Bezug auf alle gruppenpflichtigen Zweigstellen, Zweigniederlassungen und Unternehmen im In- und Ausland Prüfungsberichte – soweit vorhanden – sowohl der Innenrevision als auch von externen Prüfern (soweit diese Aussagen zur Einhaltung geldwäscherechtlicher Pflichten und Umsetzung entsprechender Maßnahmen beinhalten) vorlegen zu lassen. Diese Befugnis beinhaltet auch, im Rahmen der genannten Aufgaben uneingeschränkt Stichproben durchzuführen. Das Mutterunternehmen hat zusätzlich sicherzustellen, dass der Gruppengeldwäschebeauftragte, die von ihm beauftragten Mitarbeiter und die Gruppen-Innenrevision im Rahmen ihrer Aufgaben gruppenweit Zugang zu allen für die Erfüllung der geldwäscherechtlichen Pflichten relevanten Informationen, Dokumenten und Dateien insbesondere über alle Kunden, wirtschaftlich Berechtigten sowie über alle Geschäftsbeziehungen und Transaktionen innerhalb oder außerhalb solcher Geschäftsbeziehungen haben.

Der Gruppengeldwäschebeauftragte hat das benannte Mitglied der Leitungsebene i.S.d. § 4 Abs. 3 GwG des Mutterunternehmens über die gruppenweite Umsetzung und Einhaltung der geldwäscherechtlichen Pflichten regelmäßig und im Falle sich in diesem Zusammenhang ergebender Probleme bei Bedarf schriftlich zu informieren.

Verfahren für den Informationsaustausch innerhalb der Gruppe

Das Mutterunternehmen hat sicherzustellen, dass die gruppenangehörigen Zweigstellen, Zweignieder-lassungen und Unternehmen im In- und Ausland in der Lage sind, dem Gruppengeldwäschebeauftragten und – soweit vorhanden – der internen Revision die für die Erfüllung der Pflichten nach § 9 Abs. 1 GwG und die für das gruppenweite Risikomanagement notwendigen Informationen zugänglich zu machen und entsprechende Nachfragen zeitnah zu beantworten. Zu diesen Informationen zählen u.a. auch Kundendaten, Informationen über beabsichtigte oder erstattete Verdachtsmeldungen (vgl.§ 47 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GwG) oder Informationen über Kontakte zu Finanzmarktaufsichts-, Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden sowie Steuer- und Zollbehörden.

Das Mutterunternehmen hat auch sicherzustellen, dass Regelungen und Verfahren vorliegen, die eine Feststellung ermöglichen, ob ein Kunde Konten oder Depots bei oder Geschäftsbeziehungen mit einer gruppenangehörigen Zweigstelle, Zweigniederlassung oder Unternehmen im In- und Ausland unterhält.

Vorkehrungen zum Schutz von personenbezogenen Daten

Das Mutterunternehmen hat ungeachtet der vorstehenden Pflicht sicherzustellen, dass die für die jeweiligen gruppenangehörigen Zweigniederlassungen, Zweigstellen und Unternehmen geltenden Vorschriften zum Schutz von personenbezogenen Daten in der Gruppe eingehalten werden.

Anforderungen in Bezug auf gruppenpflichtige Unternehmen im Ausland

Unbeschadet der Regelung in § 9 Abs. 2 GwG sollten die Mutterunternehmen sicherstellen, dass auch die gruppenpflichtigen Zweigstellen und Unternehmen in Drittstaaten die dort für sie geltenden nationalen Rechtsvorschriften zur Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einhalten.

Soweit sich gruppenpflichtige Zweigstellen oder Unternehmen in einem Drittstaat befinden, in dem weniger strenge Anforderungen an Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche oder von Terrorismusfinanzierung gelten, hat das Mutterunternehmen gemäß § 9 Abs. 3 GWG die vorgenannten gruppenweiten Maßnahmen zu treffen und ihre wirksame Umsetzung sicherzustellen, soweit das Recht des Drittstaats dies zulässt.

Ist die Durchführung dieser Maßnahmen nach dem Recht des Drittstaats nicht zulässig oder tatsächlich nicht durchführbar, hat das Mutterunternehmen sicherzustellen, dass seine dort ansässigen gruppenpflichtigen Zweigstellen und Unternehmen unverzüglich zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um dem daraus folgenden Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung wirksam zu begegnen und die BaFin über die von den Zweigstellen oder Unternehmen getroffenen zusätzlichen Maßnahmen zu informieren.

Zusätzliche Maßnahmen können z.B. sein:

  • die Beschränkung des Angebots von Finanzprodukten und -dienstleistungen hinsichtlich Art und Umfang auf Fallkonstellationen mit geringem Risiko oder geringer Auswirkung auf das Gruppenrisiko in Bezug auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung,
  • das Verbot eines Rückgriffs durch andere gruppenangehörige Zweigstellen, Niederlassungen oder Unternehmen auf Zweigstellen oder Unternehmen in dem betreffenden Drittstaat zur Durchführung von Kundensorgfaltspflichten,
  • Verstärkte Kontrollen, Vor-Ort Besuche oder Prüfungen im Hinblick auf eine effektive Identifizierung, Bewertung und Behandlung von Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierungsrisiken,
  • das Erfordernis der Zustimmung von Vorgesetzten zur Begründung oder Fortführung von Geschäftsbeziehungen oder gelegentlichen Transaktionen mit höherem Risiko,
  • die Pflicht zur Bestimmung der Herkunft und ggf. der Verwendung von in einer Geschäftsbeziehung oder einer gelegentlichen Transaktion verwendeten Vermögenswerten,
  • die Pflicht zur Durchführung verstärkter kontinuierlicher Überwachungen von Geschäftsbeziehungen und darin erfolgenden Transaktionen, so dass Gewissheit hinsichtlich möglicher Geldwäsche- oder Terrorismusfinanzierungsrisiken besteht,
  • der Austausch von Informationen mit dem Mutterunternehmen über Verdachtsmeldungen und die diese begründenden konkreten Umstände, soweit dies nach dem Recht des betreffenden Drittstaats zulässig ist,
  • die verstärkte kontinuierliche Überwachung von Kunden und, soweit möglich, ihrer wirtschaftlich Berechtigten, die bekanntermaßen Gegenstand von Verdachtsmeldungen anderer gruppenangehöriger Unternehmen sind,
  • die Schaffung von effektiven Sicherungssystemen und Kontrollen zur Identifizierung und Meldung verdächtiger Transaktionen,
  • die Sicherstellung, dass die Risikoprofile und im Rahmen der Kundensorgfaltspflichten erlangten Informationen in Bezug auf Kunden jedenfalls während der Dauer einer Geschäftsbeziehung mit ihnen aktuell und soweit wie möglich sicher sind.

Für den Fall, dass die gemäß § 9 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GwG getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, um den Risiken in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wirksam zu begegnen, ordnet die BaFin gegenüber dem Mutterunternehmen an, sicherzustellen, dass seine nachgeordneten Unternehmen, Zweigstellen oder Zweigniederlassungen in dem betreffenden Drittstaat keine Geschäftsbeziehung begründen oder fortsetzen und keine Transaktionen durchführen dürfen. Soweit eine Geschäftsbeziehung bereits besteht, ordnet die BaFin gegenüber dem Mutterunternehmen an, sicherzustellen, dass diese Geschäftsbeziehung ungeachtet anderer gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen durch Kündigung oder auf andere Weise beendet wird (§ 9 Abs. 3 Satz 2 GwG).

Bei der Verpflichtung zur Nicht-Durchführung von Transaktionen, zur Kündigung von bestehenden Geschäftsbeziehungen oder deren Beendigung auf andere Weise hat die BaFin den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die an die Erfüllung der Maßnahmen zu stellenden Anforderungen im Rahmen der Entscheidung zur Nicht-Durchführung einer Transaktion oder zur Beendigung einer Geschäftsbeziehung sind nicht aufgrund formal-schematisch vorgegebener Kriterien, sondern im Licht des risikobasierten Ansatzes auszulegen. Die Verpflichtung zur Nicht-Durchführung einer Transaktion oder zur Beendigung einer Geschäftsbeziehung (§ 10 Abs. 9 GwG) besteht immer, wenn die nach § 9 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GwG erforderlichen, im betreffenden Drittstaat aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht durchführbaren Maßnahmen als wesentlich anzusehen sind.

Quelle: BaFin- Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz 2018;

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