Geldwäsche in Deutschland mehr als 100 Milliarden Euro jährlich
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Maßnahmen im Bereich der Geldwäscheprävention
Bei der Geldwäscheprävention ist Deutschland nicht nur konform mit den europäischen und internationalen Standards – das hat die FATF ausdrücklich bestätigt. In einigen Bereichen geht das deutsche Anti-Geldwäscherecht sogar weit darüber hinaus – etwa bei der Regulierung elektronischen Geldes und bei der Group Compliance von Instituten, wonach auch ausländische Töchter und Filialen deutscher Institute das deutsche Anti-Geldwäsche-Recht in Offshore-Staaten einhalten müssen.
Dennoch besteht typischerweise bei allen Wirtschaftsdelikten ein erhebliches Dunkelfeld, und dies gilt insbesondere für Geldwäsche. Bei diesem Delikt kommt jedoch hinzu, dass die beim Bundeskriminalamt registrierten Verdachtsmeldungen fast ausschließlich aus dem Finanzsektor stammen, sodass für den gesamten Nicht-Finanzsektor kaum belastbare Daten zur Geldwäsche vorlagen. Nach der 4. EU-Geldwäscherichtlinie haben die Mitgliedstaaten für alle Wirtschaftssektoren Analysen über spezifische Geldwäscherisiken zu erstellen.
Aufgrund dessen hat das BMF eine Studie in Auftrag gegeben, den Umfang der Geldwäsche im Nicht-Finanzsektor in Deutschland und die Geldwäscherisiken in einzelnen Wirtschaftssektoren zu untersuchen. Die Studie führte Prof. Dr. Kai-D. Bussmann von der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durch.
Dunkelfeldstudie über den Umfang der Geldwäsche in Deutschland
Vorgehensweise der Studie
Die Ergebnisse der Studie stützen sich zum einen auf 73 Interviews mit Experten aus Wissenschaft, Polizei und Justiz sowie Vertretern von Berufs- und Wirtschaftsverbänden und zum anderen auf eine repräsentative Befragung von 1 002 nach dem Geldwäschegesetz zu besonderer Sorgfalt und Verdachtsanzeigen Verpflichteten primär aus dem Nicht-Finanzsektor. Einbezogen wurden Verpflichtete aus den rechtsberatenden und vermögensverwaltenden Berufen, Versicherungsvermittler/-makler, Immobilienmakler und Güterhändler. Die Gruppe der Güterhändler umfasste Kraftfahrzeughändler Händler mit Gold/Silber, Perlen/Schmuck, Kunst- und Antiquitätenhändler sowie Boots- und Yachthändler.
Die Hochrechnungen der Studie beruhen ausschließlich auf den Angaben der befragten Verpflichteten zur Anzahl der von ihnen bemerkten Verdachtsfälle, der von ihnen beobachteten Typologie-Kriterien, die eine Verdachtsanzeige auslösen müssten, und der von ihnen eingeschätzten finanziellen Größenordnung der Verdachtsfälle. Aus diesem Grund handelt es sich bei den Hochrechnungen methodisch bedingt eher um Unterschätzungen, keinesfalls jedoch um Überschätzungen.
Von den in der Studie einbezogenen Verpflichtetengruppen erfolgten im Nicht-Finanzsektor nur etwa 250 Verdachtsmeldungen pro Jahr, während die Verdachtsanzeigen unter Einbeziehung des Finanzsektors bei insgesamt etwa 18 000 Verdachtsmeldungen im Jahr 2013 lagen. Die Hochrechnungen der Studie ergaben jedoch, dass das Dunkelfeld im Nicht-Finanzsektor auf mindestens etwa 15 000 bis 28 000 Verdachtsfälle jährlich zu schätzen ist, sich somit in der Größenordnung der registrierten Verdachtsfälle aus dem Finanzsektor bewegt und diese vermutlich sogar übersteigt. Im Nicht-Finanzsektor ergibt sich daher eine erhebliche Diskrepanz zwischen tatsächlichen Verdachtsanzeigen und geschätzten Verdachtsfällen.
Auch das aufgrund des geschätzten Dunkelfelds durch die Studie hochgerechnete finanzielle Volumen der – nicht gemeldeten, aber meldepflichtigen – Verdachtsfälle ist erheblich. Es dürfte demzufolge allein im Nicht-Finanzsektor 20 Mrd. € bis 30 Mrd. € umfassen. Das gesamte Geldwäschevolumen des Finanz- und Nicht-Finanzsektors Deutschlands zusammengenommen dürfte daher 50 Mrd. € übersteigen und sich wahrscheinlich in der Größenordnung in Höhe von über 100 Mrd. € jährlich bewegen, wenn man auch Schätzungen zu Unternehmen beispielsweise in der Gastronomie und Hotellerie sowie im Glücksspiel und Import/ Export einbezieht, die speziell zur Geldwäsche gegründet wurden.
Risiken in den einzelnen Wirtschaftssektoren
Ein besonders hohes Risiko für Geldwäsche tragen Wirtschaftsgüter, die sich in hohem Maße als Investitionsgüter eignen. Dies gilt vor allem für den Handel mit Immobilien und generell im gesamten Baugewerbe. Immobilienmakler zeigten bei der Untersuchung trotz der hohen Risiken ein zu geringes Risikobewusstsein. Hohe Risiken bestehen außerdem in der Gruppe der Bauträger und Architekten, die allerdings bisher keinen Verpflichtetenstatus nach dem Geldwäschegesetz besitzen. Der Erwerb von Immobilien wird regelmäßig durch Notare und oftmals auch Rechtsanwälte begleitet.
Die Studie zeigt, dass bei beiden Gruppen sowohl ihr Risikobewusstsein als auch ihre Präventionsleistung zu gering ist. Die Vorkehrungen hinsichtlich Geldwäscherisiken im Wirtschaftssektor Immobilien und Bau sind insgesamt unzureichend.
Neben Immobilien eignen sich hochwertige Kunstobjekte und Antiquitäten als Investitionsgüter ebenfalls zur Geldwäsche hoher Beträge. Die Händler wiesen im Rahmen der Untersuchung ein im Verhältnis zu den hohen Risiken zu geringes Problembewusstsein und eine zu geringe Präventionsleistung auf. Ein hohes Risiko besteht außerdem im Wirtschaftssektor Boots- und Yachthandel. Des Weiteren ergab die Studie ein hohes Risiko bei Treuhand- und Anderkonten der rechtsberatenden und vermögensverwaltenden Berufsgruppen, da über diese Konten hohe Geldbeträge gewaschen werden können. Sowohl im Bereich der hochpreisigen Güter wie Yachten wie auch in den rechtsberatenden und vermögensverwaltenden Berufsgruppen entsprechen die Geldwäsche-Vorkehrungen nicht der hohen Risikolage.
Daneben gibt es Sachverhalte, bei denen Unternehmen das Betreiben von bargeldintensiven Hotel- und Gastronomie betrieben als Deckmantel zur Geldwäsche einsetzen.
Auch hier wirkt sich die unzureichende Präventionsleistung der involvierten rechtsberatenden und vermögensverwaltenden Berufsgruppen risikoerhöhend aus. Im Wirtschaftssektor Güterhandel besteht im Allgemeinen im Premiumsegment ein mittleres Risiko, da derzeit generell das Risikobewusstsein vollkommen unterentwickelt ist. Häufiges Einfallstor für Geldwäsche bilden insbesondere die im Einzelhandel verbreiteten hohen Bargeldzahlungen.
Demgegenüber bestehen aufgrund bereits entwickelter Geldwäsche-Compliance-Programme was Lebensversicherungen anbelangt – andere Produkte wie Sachversicherungsprodukte wurden nicht untersucht – relativ geringe Risiken.
Handlungsempfehlungen und Ergebnisse der Studie
Die Studie von Prof. Dr. Kai-D. Bussmann schließt mit folgenden zentralen Handlungsempfehlungen:
Bargeldzahlungen: Bargeldzahlungen stellen eines der größten Geldwäscherisiken dar. Der Gutachter empfiehlt die Einführung eines Höchstbetrags bei der Bezahlung mit Bargeld, auch weil entsprechende Regelungen in anderen EU-Mitgliedstaaten zu einer Verlagerung von Geldwäsche nach Deutschland geführt haben. Empfohlen wird eine Begrenzung von Bargeldzahlungen ab einem mittleren vierstelligen Betrag. Hierzu gibt es mittlerweile einen entsprechenden Prüf auf trag des Finanzministerrats der EU (ECOFIN) vom 12. Februar 2016 an die EU-Kommission, ob eine EU-weit einheitliche Grenze für Bargeldzahlungen notwendig ist.
Aufklärungsmaterialen und Schulungen durch Verbände: Die Geldwäscheprävention ist im gesamten Nichtfinanzsektor unzureichend. Es bedarf gezielter Aufklärungskampagnen vor allem durch die entsprechenden Berufs- und Unternehmensverbände, um das erforderliche Risikobewusstsein zu bilden.
Geldwäschebeauftragte, Finanzämter, Aufsichtsbehörden und Finanzinstitute: Als unternehmensinterne Maßnahme hat sich die Einführung eines Geldwäschebeauftragten im Finanzsektor als sehr effizient erwiesen. Insbesondere mittlere und größere Unternehmen mit komplexer Arbeitsteilung sollten hiervon verstärkt Gebrauch machen und durch Aufsichtsbehörden der Bundesländer hierzu angehalten werden. Generell sind zur Überwachung der Verpflichteten die externen Kontrollmaßnahmen durch eine höhere Kontrolldichte der Vor-Ort-Prüfungen der Aufsichtsbehörden der Bundesländer weiter auszubauen. Im Bereich der rechtsberatenden und vermögensverwaltenden Berufe sollten angesichts des hohen Geldwäscherisikos von Treuhand- und Anderkonten die Möglichkeiten einer Prüfung durch die kontoführenden Finanzinstitute und durch die berufsständischen Kammern weiter ausgeschöpft werden, da sie im Falle fehlender Mitwirkung dieser Berufsgruppen die Geldwäsche-Risiken minimieren können. Auch die Finanzämter sollten bei der Prüfung der Gewinn- und Verlustbilanzierung häufiger auf fingierte Gewinnangaben achten. Denn das Risiko einer Unternehmensgründung allein aus Gründen der Geldwäsche besteht vor allem in den Sektoren der Hotellerie und Gastronomie, bei privaten Spielhallen sowie bei Import- und Exportunternehmen.
Bei Geldwäsche handelt es sich um transnationale Kriminalität. Gewinne aus der Organisierten Kriminalität und anderen Vortaten müssen nicht in Deutschland erwirtschaftet werden, sondern stammen zu großen Teilen aus dem Ausland. Deutschlands Wirtschaftskraft und Attraktivität als Wirtschaftsstandort zieht geradezu magnetisch Geldwäsche aus dem Ausland an. Dieses hohe Risiko tragen grundsätzlich alle prosperierenden Wirtschaftsnationen. Geldwäscher handeln großenteils wie Investoren und orientieren sich wie in der legalen Wirtschaft an den Kriterien lukrativer und unauffälliger Anlagemöglichkeiten. Die großen Drehscheiben der Geldwäsche sind dabei Luxusgüter wie hochpreisige Uhren oder Kraftfahrzeuge, insbesondere aber hochpreisige Güter wie Kunstgegenstände, die durch Gebrauch kaum Wertverlust aufweisen und stattdessen wie eine Währung leicht gehandelt werden können. Die Studie zeigt, dass Deutschland aufgrund seiner Attraktivität als Wirtschaftsstandort ein erhöhtes Geldwäscherisiko aufweist. Die inkriminierten Gelder kommen zu einem großen Teil auch aus dem Ausland. Angesichts dieser Risikolage muss der Geldwäscheprävention in der gesamten den Bundesländern unterliegenden Aufsicht des Nicht-Finanzsektors in Deutschland ein sehr viel größerer Stellenwert eingeräumt werden als bisher.
Fazit
Viele Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche können nur dann Wirkung entfalten, wenn die Staaten weltweit zusammenarbeiten. Wir brauchen global wirksame Lösungen. Auf dem Weg dorthin wurde – auch durch deutsche Initiative – in den vergangenen drei Jahren mehr erreicht als in den 30 Jahren zuvor. Deswegen bringen wir die hier vorgestellten weiteren Schritte in die internationale Abstimmung ein. Deutschland tut dies auch in Zukunft in enger Zusammenarbeit mit europäischen sowie internationalen Partnern und der OECD.
Eines ist klar: Es ist leicht, weltweite Lösungen zu fordern, aber schwierig, sie zu erreichen. Deswegen kommt es auch immer darauf an, politische Forderungen nach tiefgreifenden Änderungen zum richtigen Zeitpunkt zu stellen, denn dann besteht eine realistische Chance, sie auch umzusetzen. Die zehn Vorschläge des BMF kommen gerade jetzt zum richtigen Zeitpunkt. Das hat auch die Reaktion der anderen Staaten, der OECD und des IWF bei der IWF-Frühjahrstagung in Washington D.C. Mitte April 2016 gezeigt.
Quelle: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2016/04/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-1-Steuerbetrug-trickreiche-Steuervermeidung-Geldwaesche-bekaempfen.html
Download: Monatsbericht des BMF – April 2016