Vereinfachte Sorgfaltspflichten § 14 GwG
Inhalte
Grundsatz
Verpflichtete können vereinfachte Sorgfaltspflichten erfüllen, soweit sie unter Berücksichtigung der in der Anlage 1 zum GwG genannten Risikofaktoren sowie der Leitlinien zu Risikofaktoren feststellen, dass in bestimmten Bereichen nur ein geringes Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung besteht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Kunden, Transaktionen und Dienstleistungen oder Produkte. Die Anwendung vereinfachter Sorgfaltspflichten setzt eine vorherige schriftlich dokumentierte Risikobewertung voraus.
Für die Darlegung der Angemessenheit der angewandten vereinfachten Sorgfaltspflichten gilt § 10 Abs. 2 Satz 4 GwG entsprechend.
Faktoren für ein potenziell geringeres Risiko
Anders als nach bisheriger Rechtslage ist die Anwendung vereinfachter Sorgfaltspflichten nicht mehr auf bestimmte Fallgruppen beschränkt.
Das bedeutet, dass die Verpflichteten in allen Fallkonstellationen, in denen aus ihrer Sicht aufgrund eigener Risikobewertung ein geringeres Risiko in Bezug auf Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung bestehen kann, vereinfachte Sorgfaltspflichten anwenden können. Bei der Risikobewertung sind die in der Anlage 1 zum GwG enthaltenen Faktoren sowie die entsprechenden Ausführungen in den Leitlinien zu Risikofaktoren im Rahmen eines risikoorientierten Vorgehens zu berücksichtigen.
Die Anlage 1 zum GwG sowie die Leitlinie zu Risikofaktoren enthalten (nicht abschließende) beispielhafte Faktoren, die bezüglich des Kundenrisikos, des Produkt-, Dienstleistungs-, Transaktions- oder Vertriebskanal-risikos und bezüglich des geografischen Risikos im Verhältnis zu Normalsituationen, bei denen allgemeine Kundensorgfaltspflichten zur Anwendung kommen, auf ein potenziell geringeres Risiko im Sinne des § 14 GwG hindeuten. Die Leitlinien zu Risikofaktoren geben insoweit den Rahmen vor, innerhalb dessen vereinfachte Kundensorgfaltspflichten grundsätzlich, d.h. vorbehaltlich der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls, für die Verpflichteten zur Anwendung kommen können.
Lediglich soweit ein in § 15 Abs. 3 bzw. Abs. 8 GwG gesetzlicher bestimmter bzw. vom Verpflichteten selbst gemäß § 15 Abs. 2 GwG definierter Sachverhalt vorliegt, kommt eine Anwendung vereinfachter Kundensorgfaltspflichten von vornherein nicht in Betracht.
Soweit die in der Anlage 1 zum GwG genannten Faktoren, die Ausführungen in den Leitlinien zu Risikofaktoren sowie vorliegende Ergebnisse der Nationalen Risikoanalyse nicht entgegenstehen und im Einzelfall im Hinblick auf eine konkrete Transaktion oder Geschäftsbeziehung keine Anhaltspunkte vorliegen, die darauf schließen lassen, dass das Risiko der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung nicht gering ist, bestehen aus aufsichtlicher Sicht keine Bedenken, wenn die Verpflichteten in folgenden Fällen grundsätzlich von einem geringeren Risiko ausgehen:
- Bei Transaktionen von oder zugunsten von und bei Begründung von Geschäftsbeziehungen mit Verpflichteten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 9 GwG; dies gilt auch, soweit es sich um ein Kredit- oder Finanzinstitut im Sinne der Richtlinie (EU) 2015/849 mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder mit Sitz in einem gleichwertigen Drittstaat handelt;
- bei Transaktionen von oder zugunsten von und bei Begründung von Geschäftsbeziehungen mit börsennotierten Gesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel auf einem organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 11 des Wertpapierhandelsgesetzes in einem oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union zugelassen sind, und mit börsennotierten Gesellschaften aus Drittstaaten, die Transparenzanforderungen im Hinblick auf Stimmrechtsanteile unterliegen, die denjenigen des Gemeinschaftsrechts gleichwertig sind;
- bei der Feststellung der Identität des wirtschaftlich Berechtigten bei Anderkonten von Verpflichteten im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 10 GwG, sofern das kontoführende Institut vom Inhaber des Anderkontos die Angaben über die Identität des wirtschaftlich Berechtigten auf Anfrage erhalten kann; dies gilt auch für Anderkonten von Notaren oder anderen selbständigen Angehörigen von Rechtsberufen, die in Mitgliedstaaten der Europäischen Union ansässig sind, und für Anderkonten von Notaren oder anderen selbständigen Angehörigen von Rechtsberufen mit Sitz in gleichwertigen Drittstaaten;
- bei Transaktionen von oder zugunsten von inländischen Behörden im Sinne des § 1 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und der entsprechenden Regelungen der Verwaltungsverfahrens-gesetze der Länder und bei Begründung von Geschäftsbeziehungen mit diesen; Entsprechendes gilt in Bezug auf ausländische Behörden oder ausländische öffentliche Einrichtungen, die auf der Grundlage des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften oder des Sekundärrechts der Gemeinschaften mit öffentlichen Aufgaben betraut sind, sofern deren Identität öffentlich nachprüfbar und transparent ist und zweifelsfrei feststeht, dass ihre Tätigkeiten und Rechnungslegung transparent sind und eine Rechenschaftspflicht gegenüber einem Organ der Gemeinschaft oder gegenüber den Behörden eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder anderweitige Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen zur Überprüfung der Tätigkeit bestehen.
Die entsprechenden Risikobewertungen sind zu dokumentieren (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 2 GwG).
Umfang der zu erfüllenden Sorgfaltspflichten, § 14 Abs. 2 GwG
Die Anwendung vereinfachter Kundensorgfaltspflichten bedeutet nicht, dass bestimmte der in § 10 Abs. 1 GwG genannten Pflichten vollständig entfallen können.
Vielmehr sind auch bei der Anwendung von vereinfachten Sorgfaltspflichten alle in § 10 Abs. 1 GwG genannten Kundensorgfaltspflichten zu erfüllen.
Insbesondere kann damit in Fällen eines potenziell geringeren Risikos die Abklärung oder Identifizierung eines wirtschaftlich Berechtigten nicht vollständig unterbleiben.
Es kann unter Berücksichtigung der Anlage 1 zum GwG sowie der Leitlinien zu Risikofaktoren lediglich der Umfang der Maßnahmen, die zur Erfüllung der allgemeinen Sorgfaltspflichten zu treffen sind, angemessen reduziert werden (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 GwG).
Die Leitlinien zu Risikofaktoren geben in den Ziffern 44 ff. Beispiele dafür, welche vereinfachten Kunden-sorgfaltspflichten jeweils in Betracht kommen können.
So kommt z.B. gemäß Ziffer 45 hinsichtlich der in § 10 Abs. 1 Nr. 5 GwG erforderlichen kontinuierlichen Überwachung der Geschäftsbeziehung etwa eine Reduzierung der Frequenz der Überprüfung in Betracht (Ziffer 45 der Leitlinien).
Vereinfachte Anforderungen können insbesondere im Rahmen der Durchführung der Identifizierung von Personen im Hinblick auf die erforderlichen vorzulegenden Unterlagen und Dokumente zur Anwendung kommen (§ 14 Abs. 2 Nummer 2 GwG, Ziffer 45 der Leitlinien).
Dies bedeutet, dass eine Überprüfung der Identität einer Person bei Vorliegen eines geringeren Risikos abweichend von den oben unter Kapitel 5 aufgeführten Anforderungen im Rahmen der allgemeinen Kunden-sorgfaltspflichten auch auf der Grundlage von sonstigen Dokumenten, Daten oder Informationen durchge-führt werden kann, die von einer glaubwürdigen und unabhängigen Quelle stammen und für die Überprüfung geeignet sind. Hierzu kann auch die Vorlage eines Führerscheins oder einer Stromrechnung, aus der der Name der zu identifizierenden Person hervorgeht, zählen.
Ist der Verpflichtete nicht in der Lage, die vereinfachten Sorgfaltspflichten zu erfüllen, so gilt gemäß § 14 Abs. 3 GwG die Beendigungs-/ Nichtdurchführungsverpflichtung des § 10 Abs. 9 GwG.
Quelle: BaFin- Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz 2018;