Kundensorgfaltspflichten

Kundensorgfaltspflichten

Auslöser allgemeiner Sorgfaltspflichten § 10 GwG

Das GwG unterscheidet zwischen den allgemeinen (Regelfall), vereinfachten und verstärkten kunden-bezogenen Sorgfaltspflichten. Liegen keine besonderen Umstände vor, haben die Verpflichteten die allge-meinen Sorgfaltspflichten im Sinne von § 10 Abs. 1 GwG zu erfüllen. Folgende Tatbestände lösen die allgemeinen Sorgfaltspflichten aus:

Begründung einer Geschäftsbeziehung, § 10 Abs. 3 Nr. 1 GwG

Die Sorgfaltspflichten sind insbesondere bei der Begründung einer Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 4 GwG zu erfüllen. Danach ist unter einer Geschäftsbeziehung jede geschäftliche oder berufliche Beziehung zu verstehen, die unmittelbar in Verbindung mit den geschäftlichen oder beruflichen Aktivitäten der Verpflichteten unterhalten wird und bei der beim Zustandekommen des Kontakts davon ausgegangen wird, dass sie von gewisser Dauer sein wird.

Die Geschäftsbeziehung umfasst die Gesamtheit der vom Vertragspartner (bzw. Kunden) genutzten bzw. dem Vertragspartner zur Verfügung stehenden Leistungen und/oder Produkte. Der Hinweis auf die berufliche Beziehung umfasst die freiberufliche sowie die gewerbliche Tätigkeit.

Ein Hauptanwendungsfall ist z.B. die Konto- bzw. Depoteröffnung, wobei die Eröffnung von Unter- oder weiteren Konten regelmäßig im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung (Girovertrag) erfolgt (ebenso z.B. der Abschluss weiterer Versicherungsverträge durch einen Versicherungsnehmer); wechselt der/ein Kontoinhaber (z.B. Erbfall), liegt die Begründung einer neuen Geschäftsbeziehung vor.

Nicht zu den vorgenannten Geschäftsbeziehungen zählen solche, die nicht auf einer unmittelbaren Vertrags-beziehung zu Kunden beruhen, wie z.B. zu Mietern einer Immobilie aus einem Immobilienfonds, Vertragspartnern von Immobilientransaktionen oder zu Dienstleistern im Zusammenhang mit der Verwaltung von Investmentvermögen.

Ebenso nicht erfasst werden allgemeine, nicht betriebstypische Rechtsbeziehungen wie z.B. jene, die der Aufrechterhaltung des Betriebes als solches dienen (z.B. Verträge mit Energieversorgern sowie sonstige Beschaffungsverträge, IT-Wartungs-/Dienstleistungsverträge, Dienstverträge mit Gebäudereinigungs-unternehmen) oder die Eingehung gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen (z.B. Mitgliedschaft in einer Kreditgenossenschaft).

Für die Beurteilung der Dauerhaftigkeit kommt es auf die Einschätzung der Parteien zum Zeitpunkt des erstmaligen Kontakts an, nicht auf eine nachträgliche Betrachtung.

Bei Vertragsverhältnissen, die auf eine bestimmte Laufzeit (z.B. bei Vertragsschluss vereinbarte, vertragstypische Ratenzahlung) angelegt sind, liegt immer eine Geschäftsbeziehung vor.

Ansonsten kann in Abhängigkeit vom Einzelfall bereits ab einem zweiten Geschäftsabschluss von einer Dauerhaftigkeit ausgegangen werden.

Ein einmaliger Geschäftskontakt kann allenfalls dann als Geschäftsbeziehung zu werten sein, sofern aus ihm Folgepflichten für mindestens eine Vertragsseite erwachsen.

Die reine Vertragsanbahnung stellt noch keine Begründung einer Geschäftsbeziehung dar.

Transaktionen außerhalb einer bestehenden Geschäftsbeziehung, § 10 Abs. 3 Nr. 2 GwG

Alle Sorgfaltspflichten sind des Weiteren gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 GwG bei Transaktionen, die außerhalb einer Geschäftsbeziehung (z.B. für sog. Gelegenheitskunden) durchgeführt werden, zu erfüllen, aber nur, sofern es sich um

a. Geldtransfers im Sinne von Artikel 3 Nummer 9 der Verordnung (EU) 2015/847 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 (im Folgenden: GeldtransferVO) handelt und dieser Geldtransfer einen Betrag von € 1.000 oder mehr ausmacht oder

b. es sich um die Durchführung einer sonstigen Transaktion im Wert von € 15.000 oder mehr handelt.

Die Sorgfaltspflichten bestehen in Bezug auf den Vertragspartner der Transaktion (dem Gelegenheitskunden) bzw. die Identifizierungspflicht und Berechtigungsprüfung in Bezug auf eine gegebenenfalls für ihn auftreten-den Person, nie jedoch gegenüber dem Empfänger der Transaktion (Bsp. Überweisungsempfänger).

Transaktionen innerhalb bestehender Geschäftsbeziehungen, also insbesondere über ein bestehendes Konto abgewickelte (unbare als auch bare) Transaktionen eines Kunden lösen daher keine allgemeinen Sorgfaltspflichten aus (Ausnahme: Verdachtsfall oder Zweifel an den Identitätsangaben).

Beispiele für Transaktionen, die regelmäßig keine (erneuten) allgemeinen kundenbezogenen Sorgfaltspflich-ten nach dem GwG begründen, weil die Transaktionen üblicherweise innerhalb bestehender Geschäftsbe-ziehungen erfolgen, sind:

  • Unbarer Zahlungsverkehr von Kunden, mit denen eine Geschäftsbeziehung besteht,
  • Baraus- und Bareinzahlung von dem bzw. auf das Kundenkonto durch den Vertragspartner (Kontoinhaber) bzw. die für den Vertragspartner auftretende Person,
  • kontobezogenes Sortengeschäft für Kunden,
  • Erstmalige Nutzung eines neuen Produktes durch einen bereits angenommenen Kunden.

Unabhängig von der (gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 a) GwG ausgelösten) Verpflichtung sind daneben die sonstigen Pflichten gemäß der GeldtransferVO zu erfüllen.

Definition Transaktion, § 1 Abs. 5 GwG

Als Transaktion ist gem. § 1 Abs. 5 GwG jede Handlung zu sehen, die eine Geldbewegung oder eine sonstige Vermögensverschiebung bezweckt oder bewirkt. „Vermögensverschiebung“ bedeutet dabei eine Ver-schiebung von Vermögensgegenständen, zu denen gemäß § 1 Abs. 7 GwG jeder Vermögenswert, ob körper-lich oder nichtkörperlich, beweglich oder unbeweglich, materiell oder immateriell gehört, sowie Rechtstitel und Urkunden in jeder Form, einschließlich der elektronischen und digitalen Form, die das Eigentumsrecht oder sonstige Rechte an den vorstehenden Vermögenswerten verbriefen.

Unter die unter § 10 Abs. 3 Nr. 2 b) GwG genannten Transaktionen fallen sowohl Bargeldtransaktionen, bei denen eine Abgabe oder Annahme von Bargeld erfolgt, als auch Transaktionen sonstiger Vermögens-gegenstände, die nicht über Konten durchgeführt werden (z.B. Verkauf von Edelsteinen oder –metallen).

Als „eine Transaktion“ gelten nach § 1 Abs. 5 GwG auch mehrere Handlungen, soweit zwischen ihnen eine Verbindung zu bestehen scheint.

Geldtransfer

Der Geldtransfer gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 a) GwG ist ein wesentlicher Unterfall einer Transaktion.

Wann ein Geldtransfer vorliegt, richtet sich nach der Legaldefinition des Artikel 3 Nr. 9 GeldtransferVO. Diese Definition entspricht der vorhergegangenen Definition des Artikels 2 Nr. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1781/2006 vom 15. November 2006. In die aktuelle Fassung wurden lediglich einige Regelbeispiele neu eingefügt, auf die hingewiesen wird.

Zusätzlich haben die Verpflichteten in diesem Zusammenhang die Gemeinsamen Leitlinien der europäischen Aufsichtsbehörden nach Artikel 25 der GeldtransferVO zu den Maßnahmen, mit deren Hilfe Zahlungs-dienstleister das Fehlen oder die Unvollständigkeit von Angaben zum Auftraggeber und zum Begünstigten feststellen können, und zu den empfohlenen Verfahren für die Bearbeitung eines Geldtransfers, bei dem die vorgeschriebenen Angaben fehlen, vom 16.01.2018 zu beachten.

§ 10 Abs. 3 Nr. 2 a) GwG stellt wie bisher klar, dass auch bei einer Bareinzahlung auf ein Fremdkonto bei dem Institut, bei welchem die Einzahlung erfolgt, ein Geldtransfer i.S. des § 10 Abs. 3 Nr. 2 a) GwG bzw. der GeldtransferVO vorliegt und die Sorgfaltspflichten zu erfüllen sind, sobald der Schwellenwert i.H.v. € 1.000 erreicht ist. Es bedarf dazu keiner Weiterleitung des eingezahlten Geldes an ein Drittinstitut, um den Tat-bestand des Geldtransfers zu erfüllen. Zu beachten ist allerdings, dass nach Artikel 5 Abs. 3 a) GeldtransferVO im Falle einer Einzahlung von Bargeld oder anonymem E-Geld unabhängig von der Höhe der eingezahlten Gelder die nach Artikel 4 Abs. 1 GeldtransferVO erforderlichen Angaben zu erheben und anhand von Dokumenten, Daten oder Informationen aus einer verlässlichen und unabhängigen Quelle zu überprüfen sind.

Schwellenwerte/Smurfing

Aus § 1 Abs. 5 GwG ergibt sich, dass auch dann Kundensorgfaltspflichten zu erfüllen sind, wenn zwar mehrere einzelne Transaktionen jeweils unterhalb der in § 10 Abs. 3 Nr. 2 GwG genannten Schwellenwerte bleiben, zwischen ihnen aber aufgrund entsprechender Anhaltspunkte eine Verbindung zu bestehen scheint (sog. „Smurfing“ bzw. „Structuring“) und in der Gesamtsumme dieser Transaktionen ein Schwellenwert erreicht wird.

Das Vorliegen von Anhaltspunkten für ein Smurfing wird in der Regel zu bejahen sein, wenn sich eine signifikante Anzahl von Transaktionen innerhalb eines begrenzten Zeitraums durch ihre Gleichartigkeit im Hinblick auf den Geschäftsabschluss, den Geschäftsgegenstand oder die Geschäftsabwicklung abzeichnet. Nicht zwingend erforderlich ist dabei, dass der jeweilige Vertragspartner identisch ist (z.B. bei offensichtlich zusammenhängenden Transaktionen von Eheleuten). Letztlich hängt die Annahme einer Verbindung zwischen Transaktionen stets von der Gesamtschau aller Einzelumstände ab, wobei den Verpflichteten ein Beurteilungs-spielraum zusteht.

Insbesondere sollten die Verpflichteten Bareinzahlungen risikoangemessen daraufhin überprüfen, ob in diesen Fällen eine möglicherweise geldwäscherelevante künstliche Aufsplitterung eines einheitlichen Betrages anzunehmen ist (allgemeine Überwachungspflicht).

Überprüfungen in Bezug auf eine mögliche Verbindung von Transaktionen können zum einen im Moment der Transaktion („real-time“) oder im Nachhinein, ggf. durch Unterstützung von EDV-Monitoring-Systemen (siehe dazu unter Kapitel 5.5.1) durchgeführt werden.

Echtzeit-Überprüfungen müssen dabei in der Lage sein, kurz hintereinander erfolgende Transaktionen, bei denen Anhaltspunkte für eine Verbindung bestehen und die zusammen die jeweiligen Schwellenwerte erreichen oder überschreiten (z.B. bei Einzahlung mehrerer Barbeträge), spätestens bei Erreichung/ Überschreitung der Schwellenwerte erkennen zu können. Es muss ferner sichergestellt sein, dass eine weitere Bearbeitung der Transaktionen nur nach erfolgter Identifizierung des/der Vertragspartner möglich ist.

Erfolgen entsprechende Überprüfungen im Nachhinein, müssen ebenso wie bei einer „real-time“ Über-wachung auch Transaktionen, die z.B. über Geldeinzahlungsautomaten getätigt werden, einbezogen werden.

Die Ergebnisse der Überprüfungen sind zu dokumentieren. In Fällen, in denen sich Anhaltspunkte für eine Verbindung ergeben, sollte der Verpflichtete stets prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Verdachtsmeldung gemäß § 43 Abs. 1 GwG gegeben sind.

Sonderregelungen

Abweichend von § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 b) GwG besteht gemäß § 25k Abs. 1 KWG für die Sorgfaltspflichten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 GwG ein Schwellenwert von mindestens € 2.500, soweit ein Sortengeschäft nach § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 7 KWG nicht über ein Konto des Kunden abgewickelt wird.

Gemäß § 10 Abs. 4 GwG müssen Verpflichtete nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 GwG, die bei der Erbringung von Zahlungsdiensten nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ZAG Bargeld annehmen, die allgemeinen Sorgfaltspflichten nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GWG immer erfüllen (sog. „Null-Schwellenwert“).

Gemäß § 10 Abs. 7 GwG müssen Verpflichtete nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5 GwG, die bei der Ausgabe von E-Geld tätig sind, von den in § 25i Abs. 1 KWG genannten Kundensorgfaltspflichten nur die Pflichten nach Abs. 1 Nr. 1 (Identifizierung des E-Geld-Empfängers) und Nr. 4 (PeP-Abklärung) erfüllen. Hierbei lösen nur Vertriebsaktivitäten, die unmittelbar zum Ausgabeprozess des E-Geld-Produktes gehören, die Kundensorgfaltspflichten aus. Hierzu gehören insbesondere die Übergabe des E-Geld-Trägers oder -Codes und die bare und unbare Annahme des Ausgabebetrages für den E-Geld-Emittenten.

Transaktion im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung, § 10 Abs. 3 Nr. 3 GwG

Sofern Tatsachen festgestellt werden, die darauf schließen lassen, dass eine Transaktion im Zusammenhang mit Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung steht, sind gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 3 GwG unabhängig von Schwellenwerten stets die allgemeinen Sorgfaltspflichten zu erfüllen.

Für die Frage, wann ein solcher Verdachtsfall (vgl. § 43 Abs. 1 GwG) vorliegt, sind insbesondere die Informationen zu Typologien für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (z.B. Anhaltspunktepapiere) zu beachten.

Zweifel an den Angaben zur Identität, § 10 Abs. 3 Nr. 4 GwG

Die Vorschrift des § 10 Abs. 3 Nr. 4 GwG ist nur relevant bei Zweifeln, die im Laufe einer bestehenden Geschäftsbeziehung aufkommen. Ein Verpflichteter hat unabhängig von den vorstehenden Ausführungen in allen Fällen, in denen sich für ihn nicht ausräumbare Zweifel ergeben, ob die erhobenen Angaben zu der Identität des Vertragspartners, einer für ihn auftretenden Person oder des wirtschaftlich Berechtigten zutreffend sind, die Identifizierung dieser Personen erneut vorzunehmen. Gelingt dies nicht, greift die Be-endigungsverpflichtung gemäß § 10 Abs. 9 GwG.

Ergeben sich dagegen Zweifel anlässlich der Vornahme der Sorgfaltspflichten im Zeitpunkt der Begründung einer Geschäftsbeziehung oder der Durchführung einer Gelegenheitstransaktion, ist zunächst ebenfalls zu versuchen, die Zweifel auszuräumen. Gelingt dies nicht, ist von dem Geschäft gemäß § 10 Abs. 9 GwG Abstand zu nehmen (s. im Einzelnen Kapitel 5.8).

Zweifel an der Richtigkeit von Angaben können z.B. aufgrund vorliegender gegenteiliger Informationen oder durch behördliche Hinweise begründet werden.

Erneute Erfüllung von Kundensorgfaltspflichten bei Bestandskunden

Die Regelung des § 10 Abs. 3 Satz 3 GwG stellt klar, dass die Erfüllung der allgemeinen Sorgfaltspflichten im Rahmen bereits bestehender Geschäftsbeziehungen insbesondere bei Änderung maßgeblicher Umstände beim Kunden zu aktualisieren oder zu ergänzen ist. Dies kann es im Einzelfall erforderlich machen, über die Aktualisierungsverpflichtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 5 GwG hinaus risikobasiert einzelne allgemeine Sorgfaltspflichten gegenüber dem Kunden erneut auszuführen (Änderung Gesellschaftsform; Unternehmens-verschmelzung; Bedeutende Änderung der Eigentums- und Kontrollstruktur etc.).

Quelle: BaFin- Auslegungs- und Anwendungshinweise zum Geldwäschegesetz 2018;

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